Das Oxford-Interview

Das Oxford-Interview mit HOWARD MARKS

Das nachfolgende Interview mit Howard Marks wurde im November 1998 in Oxford (England) aufgezeichnet. Frank Steffan, der Produzent des Films "Howard Marks - Die Story des Ex-Mega-Dopedealers", führte das Gespräch mit Marks nach einer exzessiv durchzechten Nacht am darauffolgenden Morgen in dessen Hotelzimmer. Marks trotz allem hellwach, stellte sich den Fragen. Das Interview wurde mitgeschnitten und später im Rahmen einer WDR-Hörfunksendung auszugsweise verarbeitet und im 5. Programm des WDR gesendet. Teile des Gesprächs wurden darüber hinaus in dem o.g. und in dieser Homepage beschriebenen Film veröffentlicht.

?: Sie haben nach eigenem Bekunden tonnenweise Haschisch verschoben. Sie waren während der 70er und 80er Jahre alleine für mindestens 10% des Haschischhandels verantwortlich. Wie konnten Sie weltweit zum offenbar erfolgreichsten Dope-Dealer werden?

: Es war eher zufällig und nicht geplant. Ich meine damit, ich bin zufällig in das Geschäft geraten und erst mit der Zeit wurde es organisiert und professionell betrieben. Zum Schluß war es allerdings ziemlich gut organisiert.

?: Wie gerät man denn zufällig in millionenschwere Dope-Deals?

: Ich begann während meiner Studentenzeit in Oxford zu dealen. Das war Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre. Zunächst machte ich es, um ein paar Pfund zu verdienen, ohne die üblichen Studentenjobs machen zu müssen und später um mir ein richtig angenehmes Leben zu finanzieren. Ein paar Studienkollegen und ich verkauften in Oxford an Studienkollegen und an die dortige Szene. Wir bekamen die Ware aus London, verkauften direkt an die Raucher. Später wurden wir Zwischenhändler, kauften in größeren Mengen und verkauften an die kleinen Dealer mit Gewinn weiter. Das war alles immer noch nichts Besonderes. Wir wußten zwar woher das Haschisch kam, ein Freund hatte direkte Verbindungen, aber wir wußten nicht wie wir es ins Land bekommen sollen. Wir kauften von einem Pakistani, der von pakistanischen Diplomaten beliefert wurde, die nirgends kontrolliert wurden. Da kamen wir nicht zwischen. Darum, wie wir selbst importieren könnten, begannen unsere Gedanken zu kreisen, bis wir eines Tages eine genau so verrückte wie gute Idee hatten: Wir wollten mit einem gewissen Jim McCann Kontakt aufnehmen. McCann war der Waffenlieferant der IRA bzw. er gab sich hierfür aus. Ein Freund von mir hatte mit ihm ein Interview für eine subversive, linke Studentenzeitung gemacht und wußte, wie man mit ihm, der illegal im Untergrund arbeitete, Kontakt aufnehmen könnte. Genau das taten wir.

?: Sie trafen McCann?

: Ja, wir fuhren nach Irland, wo er in einem von der IRA angemieteten Bauernhaus saß. Wir trafen ihn und kamen miteinander ins Geschäft.

?: Klingt merkwürdig einfach. Was hattet ihr ihm denn zu bieten?

: Wir wußten immerhin wie man an die Quelle kommt, er nicht. Er sollte die Ware einschleusen. Ihm konnte es schließlich egal sein, ob es Nähmaschinen, Waffen oder Haschisch war.

?:
Wenn er der Waffenbeschaffer der IRA war, kann er nicht gerade ein harmloser Zeitgenosse gewesen sein. Wie gefährlich war er und wie gefährlich war es für Euch Oxford-Studenten sich auf ihn einzulassen?

: Er war sicherlich absolut undurchsichtig. Was er erzählte, konnte stimmen, aber es konnte genau so gut auch gelogen sein. Sich auf Geschäfte mit ihm einzulassen war durchaus riskant, darüber waren wir uns aber im klaren. Wir waren zwar irgendwie unbedarft, aber nicht naiv. Was wir ihm vorschlugen war furchtbar einfach: Wir besorgten die Ware in den Erzeugerländern und er sorgt dafür, daß sie reibungslos in Irland bei uns landet.

?:
Gegen Vorkasse?

: Nein, nach Abwicklung des ganzen Deals, d.h. ein paar Tage nach Empfang der Ware, wenn wir wiederum unserer Geld von den Zwischenhändlern hatten.

?: Ein paar Tage?

: Ja.

?: Dann war McCann wohl ein bißchen naiv.

: Nein, war er ganz und gar nicht. Hätten wir ihn linken wollen, hätten wir ihn z.B. nicht ausbezahlt, hätte er uns umlegen lassen, ganz einfach.

?: Das weiß man vorher?

: Natürlich. Das ist ein stehendes Gesetz. Man zahlt seine Rechnung oder man hat verloren. Man zahlt außerdem pünktlich, am besten noch vor dem vereinbarten Zahltag.

?:
Was wurde denn mit McCann vereinbart, wie sollten die Haschischladungen nach Irland gelangen?

: Als wir McCann das erste Mal trafen, sah es so aus, als wenn das nichts geben könnte. Wir flogen nach Cork und von dort aus fuhren wir in ein Nest am Ende der Welt namens Ballinskelligs. Die ganze Ortschaft bestand aus einem Fischerhaus, einer Kneipe und einer ehemaligen Irrenanstalt für Nonnen. Sehr skurril jedenfalls. McCann kam irgendwann aus der Kneipe, völlig besoffen und pausenlos fluchend. Es sah so aus, als wenn der nie im Leben irgendwas unbemerkt nach Irland schmuggeln könnte. Es war uns ein Rätsel, wie er unbemerkt untertauchen konnte, bei dem Lärm und bei dem Wahnsinn, der ihm nun mal eigen war. Aber er fand tatsächlich den Schlüssel zur Einfuhr unseres Dopes! Er organisierte die Einfuhr von so viel Dope wie wir in Kabul oder in Pakistan bekommen konnten über den irischen Flughafen Shannon an der Atlantikküste. Um den Flughafen herum gab es ein riesiges Industriegebiet, eine Freihandelszone. Alle Waren kamen unverzollt und unkontrolliert in das Freihafengelände. Die Formulare der Ausfuhrgenehmigungen waren leicht zu fälschen und derjenige, der die Formulare prüfte, war obendrein von McCann ideel bestochen.

?:
Was heißt "ideel bestochen"?

: Er war ein irischer Patriot und glaubte, daß McCann Waffen für den Kampf gegen den britischen Imperialismus einführen würde. Statt dessen war es unser Dope. (lacht).

?: Und das klappte alles?

: Ja, bestens. Ich verdiente mich blöd an den Ladungen, die wir auf diese Weise einführten.

?: Abgesehen von McCann, was wußte die IRA von den Deals?

: Die offizielle Linie der IRA war absolut puritanisch. Kein Sex, keine Drogen. Wenn McCann der Waffenlieferant war, worüber es keinen Zweifel gibt, dann werden auch andere wichtige Leute in der provisorischen IRA Kenntnis gehabt haben. Jedenfalls verdiente McCann auf diese Weise Berge von Geld.

?: Was heißt das in Zahlen?

: Pro Tonne waren es für mich 50.000 Pfund. McCanns Anteil war noch höher und es waren verdammt viele Tonnen, die über Shannon abgewickelt wurden.

?:
Das bedeutet, Sie waren kurze Zeit später Pfund-Millionär?

: Ja, keine Frage.

?:
Wie gelangte das Dope dann von Irland nach England?

: Über die Fähren, die zwischen Irland und Wales fahren. Die werden nicht kontrolliert. Eine ganze Reihe von Studenten und auch Oxford-Dozenten verdienten sich auf diese Weise eine goldene Nase.

?: Ist es richtig, daß McCann nicht nur Waffen schmuggelte, sondern auch Anschläge verübte?

: Ja, er war ein echter Hasardeur. Er war es beispielsweise, der später wegen einem Bombenanschlag in Deutschland gesucht wurde. Auf seine Kappe geht ein Anschlag auf eine Kaserne der britischen Rheinarmee in Mönchengladbach, bei dem ganz schön was in die Luft flog.

?:
Wann wurden Sie denn vom Geheimdienst des britischen Außenministeriums MI6 angeworben?

: Das war schon bald nachdem die ersten Ladungen über Irland erfolgreich abgewickelt waren. Ich mußte dringend mein Geld waschen und machte eine Boutique in Oxford auf. Sie hieß Anna Belinda. Ich wollte eine Laden-Kette daraus machen, in ganz England und möglichst auch im Ausland. Zu diesem Zeitpunkt kam jemand in den Laden, den ich seit meiner Studienzeit nicht mehr gesehen hatte: Hamilton McMillan, kurz Mac. Er hatte mit mir studiert und wir schwelgten in Erinnerungen. Mac war als junger Diplomat im Außenministerium gelandet. Irgendwann im Laufe des Gesprächs sagte er mir, daß er für den MI6 arbeitet und Mitarbeiter sucht, auf die er sich verlassen könne. Er habe sich über mich erkundigt und wisse, daß ich viel herum gereist sei. Ich sagte ihm ganz offen, daß ich mein Geld in erster Linie durch Haschischdeals verdient hätte, was ihn nicht weiter irritierte. Vielleicht wußte er es sogar. Jedenfalls warb er mich an, ich solle im Ausland Beobachtungen anstellen, so viele Boutiquen im Ausland aufmachen wie möglich, damit diese als Stützpunkte zur Verfügung stehen. Mich reizte das. Ich dachte mir, daß das die ideale Rückendeckung für die Haschischdeals sein könnte.

?: Und, war es das?

: In gewisser Weise ja. Allerdings war es nicht so, daß ich wirklich für den MI6 gearbeitet hätte. Mac beauftragte mich einige Wochen nach dem ersten Gespräch damit eine tschechische Botschaftsangestellte zu verführen. Wirklich witzig! Er gab mir Fotos von ihr und der Gedanke im Auftrag der Krone mit einer lüsternen Osteuropäerin ins Bett zu steigen, war schon nicht uninteressant, keine Frage. Aufträge dieser Art hätte ich wirklich gerne durchgeführt, aber an der Party, wo sie garantiert auftauchen sollte, kam sie nicht. Ich stand dort ein bißchen dumm rum, zusammen mit Mac, der sich angeblich nicht erklären konnte, warum die Lady nicht erschien. Vielleicht wollte man auch nur meine Geduld und meinen Patriotismus testen, keine Ahnung. Ich war danach nur sauer, weil man mir noch nicht einmal die entstandenen Unkosten erstattete. Danach gab es immer mal wieder Kontakt mit Mac, der mich nach verschiedenen Sachen ausfragte, aber richtige Aufträge bekam ich nicht mehr. Später dann, als ich zum ersten Mal verhaftet wurde, konnte mir Mac einige wichtige Informationen geben, aber das war`s auch schon.

?:
Ich nehme mal an, daß sich die Fragen von Mac bzw. vom MI6 um McCann drehten?

: Ja, sicher, aber ich hatte nicht die geringste Absicht dem britischen Geheimdienst etwas über McCann oder die IRA auszuplaudern. Entsprechend unergiebig war ich für die. Im Gegenteil, ich warnte McCann. Mehr konnte ich nicht tun. Abgesehen davon wußte ich über die IRA sowieso nichts Wesentliches. Das einzige, was mich interessierte war die Frage, wie das Dope nach England gelangte. Viel später war mir die MI6-Episode sehr nützlich, als ich nämlich zum zweiten Mal verhaftet wurde.

?: Sie wurden zum zweiten Mal verhaftet, nachdem sie nach der ersten Verhaftung untergetaucht waren. Als Sie dann vor Gericht standen tischten Sie eine abenteuerliche Agentennummer auf?

: Richtig. Ich hatte in der U-Haft ausreichend Zeit, mich vorzubereiten, alles zu durchdenken. Ich kann nur sagen, man sollte in solchen Situationen lügen, daß sich die Balken biegen, aber darauf acht geben, daß einem nicht das Gegenteil bewiesen werden kann. Es war so, daß ich 1980 zum zweiten Mal vom britischen Zoll verhaftet wurde, nachdem ich seit 1973 untergetaucht war. Ich wurde angeklagt tonnenweise Dope nach England geschmuggelt zu haben. Deshalb mußte ich mir was einfallen lassen, denn die Sachlage mit dem Dope war mehr oder minder eindeutig. Als ich in meiner Zelle lag, träumte ich, daß McCann zu mir sprach: "Hey, Du beschissener Walisischer Arsch, ich habe Dich benutzt, also benutze mich auch!" McCann sprach übrigens nur so. In einem Satz kam zehnmal Scheiße, Arsch, ficken usw. vor, das war normal. McCann war vor mir verhaftet worden und schob alles auf mich, kam frei. Ich behauptete also, daß ich im Auftrag des MI6 McCann fangen sollte, ihn in Dopedeals verwickeln mußte. Deshalb hätte ich mich als dealender Hippie getarnt und wäre mit ihm ins Geschäft gekommen. Leider sei der britische Zoll dazwischen geplatzt. Man habe mich auf Kaution rausgekauft, ich hätte einen neuen Pass bekommen und wäre wieder auf McCann angesetzt worden. In diesem Zusammenhang sei ich auch vom MI6 an den mexikanischen Geheimdienst "ausgeliehen" worden, weil McCann angeblich nicht nur die IRA mit Waffen versorgte, sondern auch die südamerikanische Untergrundbewegung "Liga des 23. September". Die Mexikaner wollten also auch McCann zur Strecke bringen. Deshalb infiltrierte ich die kolumbianischen Kartelle, weil MacCann auch mit denen dealte. Mehrfach konnte ich McCann stellen, einmal in Vancouver, aber die Kanadier ließen ihn wieder frei, einmal in Frankreich und wieder konnte er entkommen. Also versuchte man McCann in Irland auf frischer Tat zu ertappen. Ich fädelte zwei Super-Deals gleichzeitig ein. Einmal kolumbianisches Gras nach Schottland wegen der Mexikaner, einmal Thaigras nach Irland. Ich war fast so weit, wäre der Held des britischen und des mexikanischen Geheimdienstes gewesen, wenn da nicht schon wieder der Zoll gekommen wäre ...

?:
Klingt wirklich etwas komisch. Hätte es nicht genügt einen Beauftragten des MI6 und des mexikanischen Geheimdienstes zu laden?

: Der MI6 sagt nie bei Gericht aus, egal weshalb. Sie tun so, als wenn es sie gar nicht gäbe. Ich konnte aber Namen und Telefonnummern nennen und außerdem wurde ich in den englischen Zeitungen schon 1973 als MI6-Agent beschrieben. Was die Mexikaner anging, konnte ich einfach behaupten, daß ich nur einen Kontaktmann hatte, meine Pässe und Anweisungen anonym bekam. Trotzdem ließ ich einen Mexikaner kommen, der natürlich nichts mit dem Geheimdienst zu tun hatte, sondern ein Freund von mir war. Der bestätigte in seiner "Agentenfunktion" meine Aufgaben.

?: Und das funktionierte?

: Ja, perfekt. Es war irre. Wir konnten vor The Old Bailey alle Anschuldigungen widerlegen oder so in Zweifel ziehen, daß die Geschworenen völlig verunsichert wurden. Ich wurde freigesprochen!

?: Wie lange dauerte das alles?

: Fast genau zwei Jahre. 1982 war ich wieder draußen.

?:
Nun ging es um so doller wieder los, nicht wahr?

: Kann man wohl sagen. Nun brauchte ich nicht mehr aus dem Untergrund arbeiten. Ich konnte absolut legal reisen und die Deals durchziehen.

?:
Trotzdem brauchten Sie Tarnung.

: Ja, ich arbeitete über Scheinfirmen, die ich aufmachte. Da war z.B. unser Reisebüro in London, daß von einem chinesischen Freund gemacht wurde. Das war sehr nützlich. Einerseits wurde dieses Reisebüro der größte englische Anbieter von Hong Kong-Flügen und später auch von Flügen in die Volksrepublik China. Trotzdem brauchte ich aber auch gute, falsche Pässe, um meine Spuren zu verwischen.

?:
Das Geschäft mit Pakistan war wohl zu dieser Zeit am wichtigsten?

: Überhaupt Ostasien. In den 80er Jahren war es möglich, vieles unbemerkt dort zu machen. In Hong Kong liefen die Gelder ein, weil man problemlos Bargeld in die damalige britische Kolonie einführen konnte, in Bangkok konnte man sich gut verabreden und in Pakistan saßen die Produzenten. Meine Verbindungen dorthin waren ausgezeichnet.

?: Wie kam das?

: Das hatte vor allem damit zu tun, daß ich einen großen Produzenten kannte, sein Name war Malik. Er hatte in ganz Pakistan beste Beziehungen, von der Regierung an abwärts. Malik besaß alle möglichen normalen Firmen, und auch eine richtige Haschischfabrik in den Bergen hin nach Afganistan. Dort kam niemand hin, der nicht zu seinem Volksstamm gehörte. Er hatte mich einmal mitgenommen. Hierzu mußte ich mich als Eingeborener tarnen. Trotzdem die USA die afganischen Rebellen im Kampf gegen die Russen unterstützten, herrschte in Pakistan eine sehr starke antiamerikanische Stimmung, was mir sehr gelegen kam. Malik wollte nichts mit Amerikanern zu tun haben, haßte sie förmlich. Zwar versuchte die amerikanische Drogenpolizei DEA in Pakistan alles mitzubekommen, aber letztendlich standen sie dort auf verlorenen Posten. Die dortigen DEA-Statthalter bekamen eigentlich nur falsche Informationen, denn sie ahnten nicht, daß jeder ihrer pakistanischen Hausangestellten Leute wie Malik über alles unterrichteten. So konnten verkehrte Fährten gelegt werden auf die die DEA oft genug reingefallen ist.

?: Pakistan muß damals doch ein Tummelplatz für alle Geheimdienste dieser Welt gewesen sein. Im Nachbarland Afganistan tobte der Krieg mit den Russen. Inwieweit mischten eigentlich die osteuropäischen Geheimdienste im Dopehandel mit?

: Nur am Rande. Natürlich hingen in Karatschi jede Menge KGB-Leute rum, auch ostdeutsche Stasifiguren. Das Dopegeschäft interessierte sie, weil die Rebellen damit viel Geld verdienten. Mir ist aber nicht bekannt, daß z.B. der KGB in Dopedeals verwickelt war.

?:
Auch sonst nicht?

: Nur ganz am Rande. Geheimdienste haben nun mal die Angewohnheit entweder etwas kontrollieren oder irgendwas stoppen zu wollen. Hierbei haben sie alle Möglichkeiten, notfalls drucken sie sich ihr Geld selbst. Die Russen haben nicht versucht mit Dope Geld zu verdienen und kontrollieren konnte sie eh nichts. Man kann das Dopegeschäft nicht kontrollieren.

?: Es gab aber immer mal Theorien, daß der Warschauer Pakt Rauschgift zur Aufweichung der westlichen Moral benutzte und in die Länder des "Klassenfeinds" einschleuste.

: Das ist völliger Blödsinn. Die Russen oder andere kommunistische Geheimdienste hatten überhaupt keine Ahnung davon, was da abgeht. Ich erinnere mich daran, daß mal ein englischer Dealer in Leningrad gebusted (hochgenommen) wurde. Das war so um diese Zeit herum. Danach hieß es in vielen Zeitungen, daß die Russen die westliche Jugend versauen wollten, indem sie Rauschgift einschleusten oder zumindest dabei behilflich sind. Was Blöderes habe ich selten gehört. Michael Parsons, so hieß der Dealer, der von Afganistan kommend in Leningrad verhaftet wurde, war nichts weiter als ein Austauschobjekt für die Russen. Er wurde dann auch gegen zwei KGB-Spione, die in England einsaßen ausgetauscht.

?: Wie war es möglich, daß Sie zum anscheinend weltgrößten Dopedealer aufsteigen konnten, ohne mit den handelnden Syndikaten schwersten Zoff zu bekommen?

: Das ist auch so ein Märchen. Das Dopegeschäft wird nicht von "Syndikaten" kontrolliert. Man kann das nicht kontrollieren, es ist viel zu zersplittert, zu unübersichtlich.

?:
Dann gab es also ein Marks-Syndikat?

: Nein. Ich war sicherlich gut im Geschäft und sicherlich war das irgendwann auch sehr gut organisiert, aber es war keine Organisation. Das Dopegeschäft läuft ganz anders, es ist richtig witzig. Es gibt viele Leute, die darin rumrühren und bestimmte Leute kommen dann und wann zusammen, um ein bestimmtes Geschäft durchzuführen. Man findet zusammen, arbeitet zusammen und dann trennen sich die Wege auf unbestimmte Zeit wieder. Man hat mit mir gerne zusammengearbeitet, weil ich verläßlich war und weil ich auch Spaß haben wollte. So einfach ist das.

?: Selbst wenn das stimmen sollte, hat jeder Marks-Deal einen anderen aus dem Geschäft gebracht und das wird nicht jeder nett gefunden haben.

: Auch das stimmt nicht. Ich habe niemanden rausgedrängt und abkassiert, wo andere abkassiert hätten. Das liegt einfach an der enormen Nachfrage nach Haschisch. Jeden Tag werden alleine in England 3 Tonnen geraucht. Man kommt gar nicht nach mit der Befriedigung der Nachfrage. Es hätten noch weit mehr Leute Deals machen können, ohne daß ich ein Pfund weniger verdient hätte.


?:
Tatsache ist doch aber, daß Sie auch mit der Mafia zusammengearbeitet haben.

: Ja, allerdings nur wenige Male. Hierbei ging es bloß darum die Ladungen in die USA zu bekommen. Nur dabei arbeitete ich mit der Mafia zusammen. Sie sorgten dafür, daß die Ladungen unbeschadet über die Grenze kamen und hierfür wurden sie bezahlt. Das war ein klares Geschäft, wofür es einen satten Anteil gab. Ansonsten hatte ich nichts mit der Mafia zu tun.

?:
Wie spielte sich das denn genau ab?

: Einige Ladungen für die USA kamen per Flugzeug in New York an, Kennedy Airport. Die Ladungen waren von mir in Auftrag gegeben worden, sie waren entsprechend verpackt und nun ging es darum, daß diese Ladungen aus dem Flughafen heraus kamen. Dafür sorgte die Mafia, denn sie hatte den Airport im Griff. Uns wurden die Ladungen gegeben und alles weitere war wieder unsere Sache.

?:
Welche Mafiagrößen sind Ihnen denn über den Weg gelaufen?

: Keine Ahnung, man stellt sich dort nicht mit dem richtigen Pass vor. Der Kontakt kam über die englische "Kolonie" in New York, es leben viele Briten in New York.

?: Die Märkte für Kokain und Heroin befinden sich nachweislich in der Hand von Organisationen wie der Mafia, warum also nicht auch der Handel mit Haschisch?

: Wenn sich für die Mafia die Gelegenheit mit etwas Geld zu verdienen bietet, dann ist sie dabei, keine Frage. Dementsprechend ist sie natürlich auch im Haschischhandel aktiv, aber Kokain und Heroin bieten weit größere Spannen. Vor allem kann der Anbau von Haschisch nicht kontrolliert werden und was die Mafia nicht kontrollieren kann, interessiert sie nicht besonders. Sicherlich ist es richtig, daß das Kokaingeschäft hochgradig organisiert ist. Das liegt aber vornehmlich an den kolumbianischen Kartellen, die alles im Griff haben.

?: Haben Sie nicht mit Koks oder Heroin gehandelt?

: Nein, habe ich nicht. Das hat mich nie interessiert, ich bin auch nie gefragt worden, ob ich nicht vielleicht mal Koks schmuggeln wollte. Haschisch ist für mich etwas ganz anderes. Man kann mit Heroin und Kokain tatsächlich eine körperliche Abhängigkeit erzeugen, eine Sucht im wahrsten Sinne des Wortes. Hieran können Menschen sterben, sie werden ggf. körperlich verletzt. So was wollte ich nie. Ich habe nur das geschmuggelt, was ich selbst konsumiere, wo ich weiß, was es bewirkt. Haschisch macht nicht körperlich abhängig, es ist weit harmloser als Alkohol und Nikotin. Wenn man überhaupt von Abhängigkeit im Zusammenhang mit Haschisch sprechen kann, dann in Form von einer psychischen Abhängigkeit, der man erliegen könnte, aber dann wäre auch Fernsehen eine Droge.

?:
Was war eigentlich der spektakulärste Deal Ihrer Karriere?

: Oh, da gab es einige. Ganz am Anfang schmuggelten wir tonnenweise Dope in den Lautsprecheranlagen von britischen Rockbands in die USA ein. Das war verrückt. Das waren teilweise richtig bekannte Bands wie Pink Floyd, aber auch Phantasiegebilde. Einmal ging eine Band namens "Laughing Gras" in den USA angeblich auf Tournee ...

?: Die gab`s gar nicht?

: Nein, das war eine nicht existierende Phantomband.

?:
Eigentlich war doch der Import mit einem Schiff der US Navy noch abenteuerlicher?

: Ja, sicher, das war skurril. In Pakistan kam eines Tages ein Mann zu mir, der mir von jemanden, dem ich vertraute, geschickt worden war. Er hieß Bill. Er kündigte sich an, ich holte ihn vom Flughafen ab und wir fuhren ins Hotel in Karatschi. Dort holte er 300.000 Dollar aus seinem Koffer und fragte mich, wieviel Dope man dafür bekommen könne. Ich sagte ihm, daß das darauf ankäme, wie das Dope verschickt werden sollte. Er sagte, daß er sich um das Verschicken alleine kümmern könne. Er würde das über die US-Botschaft machen, denn für den Transport sei die US-Regierung zuständig. Ich dachte irgendwas an den Ohren zu haben. US-Regierung? Spinnt der? Will der mich verarschen? Nein sagte dieser Bill, er sei CIA-Mann. Die USA hätten in ganz Pakistan geheime Stützpunkte. Immer wieder müßten auf geheimen Wegen Geräte zurück in die Staaten geschickt werden, weil sie kaputt sind oder ausgetauscht werden müssen. Er wäre der Koordinator dieser Rückholaktionen und habe einen großen Handlungsspielraum. Was er verschickt, wäre einzig seine Sache. Die Sendungen würden über die "American President Lines" verschifft und im amerikanischen Flottenstützpunkt Alameda an der US-Westküste landen. Dort würde nur er die Kisten in Empfang nehmen und öffnen können, niemand sonst. Klang gut, wenn auch unglaublich. Jedenfalls sagte er auch, daß ich die Ware in bestimmte Holzkisten packen lassen solle und selbst bei der Botschaft abgeben müsse. Er gab mir eine Reihe Codewörter, denn ich müßte vorher in der Botschaft anrufen. Es wäre außerdem so, daß er seine Deals bisher schon im kleineren Rahmen gemacht habe, nun aber mal richtig zulangen wolle. Das würde prima funktionieren, zumal auch Leute in Washington mit drinhingen. Das seien Regierungsbeamte, die mit jedem pakistanischen Teppichhändler sympathisierten, solange er nur antikommunistisch wäre. Wenn sich die mit dem Handel von Haschisch etwas verdienen könnten, wäre denen das nur recht. Okay, dachte ich, warum nicht. Also besorgte ich über Malik das Dope, verpackte es wie besprochen und fuhr den Laster später zur Botschaft. Immer wieder lief zwar irgendwas schief, aber am Ende klappte es. Auf diese Weise war ein US Navy-Stützpunkt das Einfalltor für unser Dope.

?: Wenn Sie schon mit CIA-Leuten zusammenarbeiteten, warum haben Sie nichts über die DEA-Aktivitäten gegen Sie erfahren?

: Ich war eigentlich immer ganz gut im Bilde. Die DEA versuchte mich jahrelang zu schnappen, ohne Ergebnis. Ich konnte allerdings nicht ahnen, bzw. hielt es für ziemlich ausgeschlossen, daß sie in der Lage wären sich über die Gesetze europäischer Staaten einfach hinwegzusetzen. Es war ihnen gelungen, mich in Spanien verhaften zu lassen. Anfangs war ich fest davon überzeugt, daß mich die Spanier wegen ihrer klaren Gesetzeslage nicht ausliefern würden. Was die DEA mir vorwarf, konnte nach spanischem Recht nicht ausreichen, mich auszuliefern. Sie taten es aber und deshalb konnte ich in den USA verurteilt werden.

?:
Sie wurden in Miami zu 25 Jahren Hochsicherheitsgefängnis verurteilt. Wie haben Sie es fertiggebracht schon nach fünf Jahren nach England wieder abgeschoben zu werden?

: Die DEA wollte mich unbedingt haben, weil sie ein Exempel statuieren wollte. Seht her, hier ist der größte Dopedealer der Welt, von uns gefangen, hier abgeurteilt. Auch nach amerikanischem Recht wäre eine Verurteilung in dieser Höhe eigentlich kaum möglich gewesen, aber es wurde durchgezogen. Die Amis haben die Angewohnheit jede Woche mit einer neuen Superlativmeldung rüberzukommen. Was gestern noch der größte Dealer war, ist morgen unbedeutend. Das hat mir geholfen. Ich habe einige Auflagen bei meiner Abschiebung bekommen, z.B. wandere ich unweigerlich lebenslänglich in den Knast, wenn ich noch einmal die Grenze der USA überschreite. Ich denke, daß sie mich als nicht mehr gefährlich einstuften, genau weiß ich es allerdings bis heute nicht.

?: Sie kamen zurück nach England und schrieben ihr Buch?

: Ja, kaum war ich in London, kam auch schon der erste Verlag auf mich zu. Schon im Knast hatte ich begonnen die ganze Geschichte aufzuschreiben. Als ich dann, ohne Ghostwriter, fertig war, konnte ich nicht ahnen, daß das Buch ein großer Erfolg werden würde.

?: Es war so ein Erfolg, daß Sie mittlerweile gefeierte Lesungen bzw. richtige Multimedia-Spektakel landauf, landab abhalten. Wer kommt zu diesen "Lesungen"?

: Es sind in erster Linie Studenten, ganz junge Leute. Damit hatte ich nicht gerechnet, ich dachte, es wäre eher meine Generation die kommt. Nein, es sind überwiegend Leute zwischen 18 und 25 Jahre. Auch das macht Spaß.

?: Haben Sie wieder gedealt?

: Nein.

?:
Warum nicht?

: Kann ich gar nicht richtig beantworten. Ich glaube, es fehlte die Gelegenheit. Außerdem ist das Geschäft anders geworden, komplizierter. Die ganzen technischen Neuerungen sind sowohl von Vor- und von Nachteil. Ich hätte zwar bessere Möglichkeiten, aber die das gilt auch für die Gegenseite. Also überlasse ich das Jüngeren. (lacht herzhaft)

?: Wenn das mit dem Buch und den Lesungen bzw. Multi-Media-Shows nicht hingehauen hätte, wären Sie dann wieder im Geschäft?

: Wirklich schwer zu sagen, ich glaube nicht ... (lacht)


 

eXTReMe Tracker